Vom Aussterben bedrohte Vogelart im Hirschacker gesichtet / NABU: Naturschutzmaßnahmen wirken
Stuttgart/Schwetzingen – Im Hirschacker hat ein „Lebensader Oberrhein“-Projektbotschafter eine kleine Sensation entdeckt: Der in Baden-Württemberg vom Aussterben bedrohte Ziegenmelker hat sich nach jahrzehntelanger Abwesenheit wieder im Naturschutzgebiet zwischen Schwetzingen und Mannheim gezeigt. Nach Einschätzung des NABU ist das ein weiterer klarer Beleg dafür, dass die im Rahmen des Projekts „Lebensader Oberrhein“ vor rund vier Jahren gestarteten Naturschutzmaßnahmen wirken.
„Wir gehen davon aus, dass der Ziegenmelker das Gebiet ähnlich lange gemieden hat wie die Heidelerche“, berichtet Katrin Fritzsch, in Baden-Württemberg Leiterin des durch das Bundesprogramm Biologische Vielfalt geförderten Projekts „Lebensader Oberrhein – Naturvielfalt von nass bis trocken“. Die Heidelerche war 2016 nach 40 Jahren erstmals wieder im Hirschacker gesichtet worden. Beide Vogelarten profitieren offensichtlich von den offenen Sandflächen und lichten Kiefernwäldern. Diese sind im Rahmen des Projekts wieder entstanden, nachdem Kiefern die Flächen zuvor überwachsen und die eigentlich charakteristische Vielfalt an Tier- und Pflanzenarten massiv zurückgedrängt hatten. Ein Übriges hat der Einsatz von Ziegen als tierische Landschaftspflegerinnen getan. „Ganz gemäß der Maxime: Erst kommen die Ziegen, dann der Melker“, so Fritzsch. Früher glaubte man, der Vogel melke Ziegen, da er oft unter ihrem Bauch beobachtet wurde. Heute weiß man, dass er dabei auf Insektenfang ist.
„Offenbar hat ein erstes Ziegenmelker-Männchen den Hirschacker als potenziellen Lebensraum wieder entdeckt“, führt die Biologin aus. „Jetzt sind wir natürlich gespannt, ob sich auch ein Weibchen einfindet und das Schutzgebiet sich wieder zum Brutgebiet des seltenen Vogels entwickelt.“ Fritzsch bittet darum, den Bodenbrüter zu unterstützen: „Es braucht nur ein wenig Rücksicht. Da die Tiere ihre Eier in kleine Kuhlen auf dem Boden legen, ist es wichtig Hunde unbedingt an die Leine zu nehmen, wie es die Regeln für das Schutzgebiet ja ohnehin ganzjährig vorsehen. Sonst hat die Vogelart keine Chance auf eine erfolgreiche Brut. Mit vielleicht dramatischen Folgen – schließlich gibt es in ganz Baden-Württemberg nur noch etwa 20 bis 25 Brutpaare.“
Nicht nur in der Vogelwelt, auch bei den Pflanzen stellt sich im Hirschacker wieder die charakteristische Vielfalt ein, seitdem der Kiefernbewuchs aufgelichtet worden ist und die Sonnenstrahlen wieder ungestört auf den Boden gelangen. „Dazu gehören zum Beispiel Sand-Thymian, Sand-Günsel oder Sonnenröschen“, erläutert die NABU-Fachfrau. „Besonders freuen wir uns darüber, dass sich die Graue Skabiose wieder ausbreitet, die hierzulande als ‚stark gefährdet‘ gilt und zu den 15 Pflanzenarten gehört, um die wir uns in Deutschland besonders kümmern müssen, weil es sie entweder nur hier gibt oder weil ein Großteil des weltweiten Bestands – noch – bei uns zu finden ist. Die auch als Duft-Skabiose bekannte, zart lilafarbene Graue Skabiose kommt nur im zentralen und südöstlichen Europa vor. Mindestens die Hälfte des Weltbestandes befindet sich in Deutschland.“
Über den Ziegenmelker:
• Der graubraune, langgestreckte Ziegenmelker ist ein faszinierender und sagenumwobener Vogel. Mit seinem schnurrenden Gesang und dem eigentümlichen Flügelklatschen ist er eine der ungewöhnlichsten heimischen Vogelarten.
• Er gehört zur Familie der Nachtschwalben, die dämmerungs- beziehungsweise nachtaktiv sind. Der falkengroße Ziegenmelker verschläft den Tag gut getarnt am Boden und wird erst nach Sonnenuntergang aktiv, um im Flug Insekten zu jagen.
• Ziegenmelker sind Langstreckenzieher, die südlich der Sahara überwintern und im März in ihre Brutgebiete zurückkehren. Typisch ist der Balzgesang: ein Schnurren, das an ein Motorrad in der Ferne erinnert. Häufig ist auch ein Knallen zu hören. Dieser „Peitschenknall-Effekt“ entsteht, indem der Vogel die Flügel stark nach oben oder unten presst, ohne dass sie sich dabei berühren. Nach der Partnerwahl legt das Weibchen Mitte Juni zwei Eier in eine leichte Vertiefung auf den möglichst vegetationsarmen Boden.
• Früher glaubte man, der Ziegenmelker melke Schafe oder eben Ziegen, da er oft unter dem Bauch der Tiere beobachtet wurde und es aussah als würde er die Tiere „melken“. Stattdessen fliegt er Insekten – von denen gerade bei Weidevieh viele umherschwirren – oft von unten an und käschert sie quasi weg.
• Der Ziegenmelker ist in Baden-Württemberg laut Roter Liste vom Aussterben bedroht, die Bestände befinden sich seit Jahren im Sinkflug. Wichtige Ursachen sind Nahrungsmangel und Lebensraumverlust. Aktuell gibt es nur noch etwa 20 bis 25 Brutpaare im Land.
Hintergrund: Projekt „Lebensader Oberrhein – Naturvielfalt von nass bis trocken“
Das Projekt „Lebensader Oberrhein – Naturvielfalt von nass bis trocken“ wurde im Oktober 2013 gestartet und läuft bis September 2019. Drei Bundesländer (Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Hessen) haben Anteil am Projektgebiet im Biodiversitäts-„Hotspot“ am nördlichen Oberrhein. Zur Umsetzung der Naturschutzmaßnahmen haben sich die NABU-Landesverbände Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg zusammengeschlossen. Das Projektvolumen beträgt insgesamt rund fünf Millionen Euro. Das Projekt wird durch das Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) gefördert. Die Ausgaben werden zu 75 Prozent vom BMU über das „Bundesprogramm Biologische Vielfalt“ und zu 15 Prozent von den Umweltministerien in Rheinland-Pfalz, Hessen und Baden-Württemberg getragen. Zehn Prozent der Mittel übernimmt der NABU selbst. Weitere Informationen: www.lebensader-oberrhein.de
Quelle: NABU/Lebensader Oberrhein
Die Oberrhein-Region zwischen Bingen und Bühl wartet mit einer besonderen Vielfalt an Tier- und Pflanzenarten und einer Vielzahl wertvoller Lebensräume auf. „Angefangen beim Rhein und seinen Auen über die angrenzenden Wiesen und Feuchtgebiete bis hin zu den Wäldern und Binnendünen. Und in jedem dieser Lebensräume ist eine unglaubliche Vielfalt an Arten zu Hause, darunter viele seltene“, sagt Katrin Fritzsch, die das Projekt „Lebensader Oberrhein - Naturvielfalt von nass bis trocken“ in Baden-Württemberg leitet.
Um den Schutz dieser Vielfalt mitten im Ballungsgebiet Rhein-Neckar geht es in ihrem Vortrag „Lebensader Oberrhein“ am 15. November um 20 Uhr im „Pfälzer Hof“ Walldorf (Sängersaal). Zum Beispiel baggert
der NABU neue Amphibientümpel aus, informiert über die Besonderheiten der Natur oder setzt sich für seltene Sandlebensräume ein. So wurde erst vor kurzem in der Schwetzinger Hardt auf der kleinen Sanddüne „Franzosenbusch“ dafür gesorgt, dass hier die charakteristischen, zum Teil sehr seltenen Tier- und
Pflanzenarten optimale Lebensbedingungen vorfinden.
NABU-Veranstaltung beleuchtete Naturschutzmaßnahmen im Projekt „Lebensader Oberrhein“
Walldorf. Vorfreude weckte der örtliche NABU-Vorstand Wolfgang Högerich bei der Begrüßung auf den Vortrag der Referentin Dr. Katrin Fritzsch und nebenbei auch auf weitere Veranstaltungen des NABU Walldorf-Sandhausen. Vor vier Jahren startete der baden-württembergische Teil des Naturschutzgroßprojekts „Lebensader Oberrhein – Naturvielfalt von nass bis trocken“ in Walldorf. Zwei Jahre vor dem Abschluss zog Projektleiterin Fritzsch auf Einladung der Ortsgruppe Bilanz.
Die Biologin betonte die Bedeutung der nördlichen Oberrheinebene mit den Hardtplatten als „Hotspot der Artenvielfalt“ und Refugium seltener Arten. Das Gebiet mitten im dicht besiedelten Ballungsraum sei charakterisiert durch die bedrohten Lebensräume der Rheinauen auf der einen und der der Binnendünen auf der anderen Seite.
Aufnahmen zeigten die Entwicklung der Gebiete, von kahlen Flächen mit Baggern und Holzerntemaschinen bis hin zu luftig und blütenreich bewachsenen Dünenkuppen. Fritzsch erläuterte Sinn und Zweck der teils brachial wirkenden Maßnahmen, die dazu dienten, die Lebensräume zu erweitern. Die Sandbiotope Pferdstriebdüne und Zugmantel-Bandholz etwa haben durch die freigelegten Dünenkuppen Saupfergbuckel, Maulbeerbuckel und Franzosenbusch Gesellschaft bekommen. Licht- und wärmeliebende Arten der Sandrasen breiten sich nun auch hier aus, wobei die Naturschützer nachgeholfen haben, indem sie etwas Mähgut von der Pferdstriebdüne auf dem Saupfergbuckel verteilt hatten. So blüht hier inzwischen die seltene und europaweit geschützte Sand-Silberscharte und auch weitere Charakterarten wurden dokumentiert, wie Steppen-Wolfsmilch, Blauflügelige Ödlandschrecke, Sonnenröschen, Blauschillergras, Sand-Thymian und Sand-Steinkraut.
„Mit dem Forst und der Stadt Walldorf haben wir von Anfang an sehr gut zusammengearbeitet“, lobt Fritzsch den anwesenden Revierförster Gunter Glasbrenner, den sie von dem Projekt nicht erst überzeugen musste. Knochenarbeit leiste der Pflegetrupp des NABU-Bezirksverbands Rhein-Neckar-Odenwald, der dafür sorge, dass die freigestellten Flächen nicht wieder zuwachsen. Die insgesamt 18 NABU-Gruppen im Hotspot lädt sie einmal im Jahr zum Austausch ein.
Ihre Vision, die sie mit dem Forst und der oberen Naturschutzbehörde teilt, ist ein Beweidungskonzept, das die Pflege enorm vereinfachen und zugleich die isoliert liegenden Sand-Lebensräume vernetzen könnte. Ziegen beispielweise fressen auch unerwünschte Eindringlinge wie die Robinie oder die Spätblühende Traubenkirsche und Schafe verbreiten Samen, die in ihrem Fell hängen bleiben. Angesichts der zersiedelten und von Verkehrswegen durchschnittenen Fläche sei es bis zu einem zusammenhängenden Beweidungskonzept aber noch ein weiter Weg. Angefangen wurde dieses Jahr aber schon mit einer eingezäunten Fläche im Schwetzinger Hirschacker.
Fritzsch freute sich, unter den Zuhörern auch Onno von der Emde und Herbert Spiess begrüßen zu dürfen. Mit ihren Schafen und Ziegen ziehen die Hobbyschäfer zweimal im Jahr von Rauenberg zur Waldweide im Reilinger Eck. Dieses Jahr ließen sie sich von ihr überreden, ihre Tiere auch im Hirschacker weiden zu lassen. Allerdings mussten sie diese umständlich mit dem Transporter herbeikarren. „Der NABU sollte für einen durchgehenden Triebweg sorgen“, riet von der Emde.
Zum Projekt gehöre auch die länderübergreifende Pflege der Dämme, die zum richtigen Zeitpunkt gemäht werden sollten. Dies mit dem Naturschutz und der Wasserwirtschaft der drei beteiligten Bundesländer abzustimmen sei eine Herausforderung gewesen.
Doch was passiert nach Projektende mit den begonnenen Maßnahmen in der Schwetzinger Hardt? Von Dieter Münch vom Kreisforstamt habe sie die Zusage, dass der Forst für seine Flächen die Folgepflege übernehmen werde. Das Land sei bei der langfristigen Sicherung in der Pflicht. So sei beispielsweise die Wohlriechende Skabiose als eine Verantwortungsart innerhalb der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt eingestuft.
Sabine Hebbelmann
Die Oberrhein-Region zwischen Bingen und Bühl wartet mit einer besonderen Vielfalt an Tier- und Pflanzenarten und einer Vielzahl wertvoller Lebensräume auf. „Angefangen beim Rhein und seinen Auen über die angrenzenden Wiesen und Feuchtgebiete bis hin zu den Wäldern und Binnendünen. Und in jedem dieser Lebensräume ist eine unglaubliche Vielfalt an Arten zu Hause, darunter viele seltene“, sagt Katrin Fritzsch, die das Projekt „Lebensader Oberrhein - Naturvielfalt von nass bis trocken“ in Baden-Württemberg leitet.
Um den Schutz dieser Vielfalt mitten im Ballungsgebiet Rhein-Neckar geht es in ihrem Vortrag „Lebensader Oberrhein“ am 15. November um 20 Uhr im „Pfälzer Hof“ Walldorf (Sängersaal). Zum Beispiel baggert
der NABU neue Amphibientümpel aus, informiert über die Besonderheiten der Natur oder setzt sich für seltene Sandlebensräume ein. So wurde erst vor kurzem in der Schwetzinger Hardt auf der kleinen Sanddüne „Franzosenbusch“ dafür gesorgt, dass hier die charakteristischen, zum Teil sehr seltenen Tier- und
Pflanzenarten optimale Lebensbedingungen vorfinden.
Im Mittelalter war die wichtigste Nutzung der Schwetzinger Hardt die Waldweide. Im Stadtwald Walldorf erinnert eine rund vier Hektar große Weidefläche im Schonwald „Reilinger Eck“ an diese Zeit. Dienten Ziegen und Schafe den Bewohnern der Hardtgemeinden zur Existenzsicherung, werden sie heute im Naturschutz eingesetzt um die wertvollen Sandrasenbiotope und lichten Kalksand-Kiefernwälder offen zu halten.
Die vierbeinigen Landschaftspfleger, die aktuell diese Aufgabe übernehmen, heißen übrigens Camillo und Bella und sind zwei sympathische und zutrauliche Esel. Sie sind weniger wählerisch im Futter und robuster als Schafe und Ziegen und daher bestens geeignet für den Job.
Esel sind optimal an trockene, nahrungsarme Lebensräume angepasst. Zugunsten artenreicher Sand- und Steppenrasen drängen sie Gebüsch, dominante Gräser wie das Land-Reitgras und selbst trockene und verfilzte Grasbestände zurück und schaffen in sandigen Gebieten offene Bodenstellen - ideale Lebensräume für Sandlaufkäfer, Grabwespen und Sandbienen.
Esel sind genügsam und können auch aus nährstoffarmen Pflanzen ausreichend Energie gewinnen. Traditionell sind sie in Mitteleuropa kaum verbreitet. Doch das könnte sich bald ändern - zumindest in den Sandgebieten des Oberrheins. Auf der Viernheimer Heide weidet schon seit Jahre eine Herde Esel und sorgt für die Landschaftspflege. Das Gebiet hat sich gut entwickelt. Und auch an der Pflege der Deponie Feilheck bei Sandhausen sind seit einiger Zeit Esel beteiligt. Eine Perspektive auch für Lebensader Oberrhein?
"Wandertour durch die Schwetzinger Hardt bei Sandhausen" heißt eine der neuen Touren des Naturschutzprojekts „Lebensader Oberrhein“. Sie ist 8,4 Kilometer lang und führt durch zwei weniger bekannte Sandgebiete der Sandhausener Dünen, den Galgenbuckel und die Pflege Schönau. Tippgeber Peter Weiser schreibt: "Auf dieser Tour gibt es Gelegenheit, seltene Pflanzen der Sandrasen vom Wegesrand aus zu sehen, unter anderem Sand-Strohblume, Sand-Thymian, Dünen-Steinkraut, Steppen-Wolfsmilch und Felsen-Fetthenne. Auf dem Sandweg durch die Pflege Schönau kann man an sonnigen Tagen einige typische Insekten der Binnendünen relativ leicht beobachten, so den Dünen-Sandlaufkäfer und verschiedene Wildbienen wie die Braunbürstige Hosenbiene."
Zur Einführung bietet der Biologe und Naturschutzwart Peter Weiser am 6. Mai eine Exkursion zur Pflege Schönau an. Treffpunkt ist um 10 Uhr am Parkplatz beim Waldfriedhof in Sandhausen. Anmeldung unter peter_weiser@t-online.de oder Tel. 06224/922 499. Bei Dauerregen findet die Exkursion nicht statt.
Pünktlich zum Start der Wandersaison stellt der NABU im Rahmen des Naturschutzprojekts „Lebensader Oberrhein“ knapp 20 neue Tourentipps online bereit. Naturbegeisterte finden jetzt über 40 Touren unter www.lebensader-oberrhein.de/touren und auf dem Tourenportal www.outdooractive.de (Stichwort: Lebensader Oberrhein). Das Besondere: Die detaillierten Wegbeschreibungen sind angereichert mit viel Wissenswertem rund um die Tier- und Pflanzenwelt sowie die Entstehungsgeschichte der unterschiedlichen Lebensräume, durch die die Wander-, Rad- und Kanu-Touren führen.
Darunter finden sich ein Rundweg durch die Hardt zwischen Walldorf und Sandhausen, vorgestellt von Dr. Katrin Fritzsch (Biologin und Projektleiterin für „Lebensader Oberrhein“ in BW) sowie eine Wandertour als Rundweg durch die Südliche Schwetzinger Hardt vorgestellt von Walldorfs Forstrevierleiter Gunter Glasbrenner.
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Der NABU Baden-Württemberg möchte sich gemeinsam mit dem NABU in Rheinland -Pfalz und Hessen im Rahmen des Projektes "Lebensader Oberrhein - Naturvielfalt von nass bis trocken" in den nächsten sechs Jahren intensiv für den Schutz dieser wertvollen Lebensräume mit ihren Tier- und Pflanzenarten einsetzen. Mit vielen Partnerinnen und Partnern, Akteurinnen und Akteuren in der Region wollen wir kooperieren und so den Naturschutz voranbringen. Dies wird durch die Förderung im Rahmen des Bundesprogramms Biologische Vielfalt und durch die Unterstützung der Länder Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Hessen ermöglicht.
Info-Ausstellung zum großen Naturschutzprojekt / 20.3.-6.4.2017
Stuttgart/Sandhausen – In Sandhausen haben Interessierte Gelegenheit, Neues über die Naturvielfalt vor der Haustür zu erfahren: Von 20. März bis 6. April ist in der Gemeindebibliothek Sandhausen die Info-Ausstellung „Lebensader Oberrhein – Naturvielfalt von nass bis trocken“ zu sehen.
Sandhausen liegt mitten in einem von bundesweit 30 „Hotspots“ der Biodiversität in Deutschland. Denn die Oberrhein-Region zwischen Bingen und Bühl wartet mit einer besonderen Vielfalt an Tier- und Pflanzenarten und einer Vielzahl wertvoller Lebensräume auf. „Angefangen beim Rhein und seinen Auen über die angrenzende Wiesen und Feuchtgebiete bis hin zu den Wäldern und Binnendünen. Und in jedem dieser Lebensräume ist eine unglaubliche Vielfalt an Arten zu Hause, darunter viele seltene“, sagt Katrin Fritzsch, die das Projekt „Lebensader Oberrhein“ in Baden-Württemberg leitet. „Ameisenlöwe, Heidelerche oder Schlammpeitzger, Sandsilberscharte, Wiesen-Schwertlilie oder Kanten-Lauch – sie alle machen die biologische Vielfalt hier am Oberrhein aus.“
Um den Schutz dieser Vielfalt mitten im Ballungsgebiet Rhein-Neckar geht es im Rahmen des Projekts „Lebensader Oberrhein“. Dazu baggert der NABU zum Beispiel neue Amphibientümpel, informiert über die Besonderheiten der Natur oder setzt sich für seltene Sandlebensräume ein. So wurde erst vor kurzem in der Schwetzinger Hardt auf der kleinen Sanddüne „Franzosenbusch“ dafür gesorgt, dass hier die charakteristischen, zum Teil sehr seltenen Tier- und Pflanzenarten optimale Lebensbedingungen vorfinden.
Das länderübergreifende Projekt läuft noch bis September 2019. Es hat ein Volumen von insgesamt rund fünf Millionen Euro und wird durch das Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) gefördert. Die Ausgaben werden zu 75 Prozent vom BMUB über das „Bundesprogramm Biologische Vielfalt“ und zu 15 Prozent von den Umweltministerien in Rheinland-Pfalz, Hessen und Baden-Württemberg getragen. Zehn Prozent der Kosten übernimmt der NABU selbst.
Info-Ausstellung auf einen Blick:
- Ort: Gemeindebibliothek Sandhausen, Friedrich-Ebert-Schulzentrum, Eingang Büchertstraße, 69207 Sandhausen
- Dauer: 20.3.– 6.4.2017
- Geöffnet zu den regulären Öffnungszeiten der Bibliothek
Besim, Songül und Enis gehen in die 10. Klasse der Waldschule in Walldorf. Beim Vor-Ort-Termin mit Umwelt-Staatssekretär Dr. Andre Baumann und Landtagsabgeordnetem Hermino Katzenstein bieten sie Brezel und Apfelsaftschorle an bevor sich alle auf den Weg zum Maulbeerbuckel machen. Die Dünenkuppe wurde kürzlich erst gerodet, um Licht und Platz für seltene Sandrasenbewohner zu schaffen.
Für den Abgeordneten Hermino Katzenstein aus Neckargemünd, der für die Grünen im Landtag auch den Wahlkreis Wiesloch mitbetreut, sind die ökologisch wertvollen Sandgebiete der Schwetzinger Hardt etwas Neues. Und so lernt er viel über die Pflege dieser Biotope. Nicht nur von Andre Baumann, der sich als gebürtiger Schwetzinger und früherer Nabu-Landeschef intensiv mit den Sandbiotopen der Region beschäftigt hat, sondern auch von den örtlichen Fachleuten von Stadt, Nabu, Forst und Schule, die hier in vorbildlicher Weise zusammenarbeiten.
Baumann sieht die Binnendünen der Schwetzinger Hardt als wertvollen Lebensraum an: „Hier gibt es eine Natur, die in Baden-Württemberg Ihresgleichen sucht. Für die haben wir Kurpfälzer eine besondere Verantwortung.“
Die Stadt Walldorf sei immer dabei wenn es gelte, den Wald naturnah zu gestalten, betont der Erste Beigeordnete der Stadt Walldorf Otto Steinmann. Lobende Worte findet er für Revierleiter Gunter Glasbrenner, der das Naturschutzprojekt von forstlicher Seite kompetent begleite.
Innerhalb von drei Wochen wurden auf 0.9 Hektar Bäume gerodet und Humus abgetragen. Nun gilt es zu warten, bis sich die typische Flora und Fauna entwickelt.
Der Maulbeerbuckel, wie auch der bereits früher freigelegte Saupferchbuckel, ist Bestandteil des Nabu-Projekts Lebensader Oberrhein, für das im Namen von Projektleiterin Katrin Fritzsch die Vorsitzende des Nabu Walldorf-Sandhausen Karin Knitter-Lehmann spricht. Sie dankt für die gute Zusammenarbeit und lädt die Beteiligten ein, im späten Frühjahr wiederzukommen, um die wohlriechende Skabiose und mögliche andere Dünenraritäten bewundern zu können. Ersatzweise und zur Anschauung hat sie Tafeln mit Abbildungen von „Bewohnern“ der benachbarten Sandhäuser Naturschutzgebiete mitgebracht, die sich möglichst auch auf die Walldorfer Gebiete ausbreiten sollen.
Neben den offenen Waldgesellschaften nennt Forstbezirksleiter Sebastian Eick Bannwälder und Schonwälder, die zusammen mit der forstlichen Versuchsanstalt entwickelt werden. Gemeinsam habe man einen Managementplan für die kommenden zehn Jahre erstellt. Durch die Zusammenarbeit mit dem Nabu habe der Forst wertvolle Erfahrung sammeln können. Die Maßnahme sei in das Gesamtkonzept des Regionalen Waldschutzgebietes eingebettet.
Dr. Dieter Münch, Leiter des Kreisforstamtes zeigt den Pflege- und Entwicklungsplan für die Schwetzinger Hardt. Es werden lichte Waldflächen geschaffen, die durch den Wald wandern und die Sandhäuser Schutzgebiete und die Walldorfer Dünenkuppen vernetzen, erläutert er. Auf Katzensteins Frage, ob nicht ein Zaun notwendig sei, um die Natur zu schützen, entgegnet Münch: „Es ist wichtig, die Natur erlebbar zu machen.“ Schließlich habe sich die Artenvielfalt erst entwickelt, seit der Mensch begonnen habe, die einst bewaldeten Dünenkuppen als Viehweide zu nutzen. Er verweist auf die Hockenheimer Naturtribüne. „Da wo die Zuschauer immer hochgeklettert sind habe sich Sandrasen entwickelt.“ Tritt sei bis zu einem bestimmten Maß förderlich, bestätigt auch Baumann. Brutreviere, etwa der Heidelerche, müssten allerdings geschützt werden.
Stadtrat Gerhard Hettinger von der AL Sandhausen will wissen, wie die Sandhäuser Schutzgebiete in die Pflege integriert werden. Schafe sollen die Flächen im Waldschutzgebiet, aber auch in Sandhausen, Oftersheim und Hirschacker offen halten und dabei Samen von einer Fläche zur anderen transportieren, erläutert Baumann, der während seiner Doktorarbeit Schafdung in Petrischalen untersucht und Samen vom Zwergschneckenklee gefunden hatte. Damit sie mit ihren Schafen die Aufgaben in Naturschutz und Landschaftspflege erfüllen können habe das Land die Mittel für Schäfer deutlich erhöht, berichtet der Biologe. „Denn auf den mageren Standorten werden die Schafe nicht satt und die Steaks bleiben klein.“ Sein Appell: „Spargel und Dünenlamm gehören zusammen, Lamm essen sollte eine Kurpfälzische Pflichtaufgabe werden.“
„Es ist toll, dass wir uns im Jubiläumsjahr in das Projekt einklinken konnten“, freut sich Schulleiter Lorenz Kachler. Für die Ganztagsschule spielt das Walderlebnis eine wichtige Rolle. Es gibt „Naturdetektive“ und jede Woche einen Waldtag. Der angehende Pädagoge Max Himberger, der eine Arbeit über die Sandhäuser Dünen geschrieben hat, wolle im April eine AG zum Thema Maulbeerbuckel anbieten.
Besim, Songül und Enis werden daran nicht mehr teilnehmen können. Doch sie haben interessiert zugehört und sicher Einiges über den Naturschutz vor Ort gelernt.
Text und Fotos: Sabine Hebbelmann
Über Jahrhunderte hatten die Bewohner der Hardtgemeinden das Recht, ihr Vieh in den Wald zu treiben. Allmendwald war gerade für die Armen wichtig, er war so etwas Ähnliches wie das Harz IV des Mittelalters. Die Namen mancher Binnendünen der Schwetzinger Hardt erinnern an diese Zeit: etwa die Pferdstriebdüne in Sandhausen oder der Saupferchbuckel in Walldorf. Die Waldweidewirtschaft sorgte nebenbei dafür, dass die Verbuschung zurückgedrängt wurde und dass auf dem sandigen Boden lichte und artenreiche Waldlandschaften entstanden.
An diese Zeit erinnert die Waldweide der Stadt Walldorf, ein eingezäuntes Areal im Reilinger Eck, das zeitweise beweidet wird. Onno von der Emde ist SAP-Manager und Hobbyschäfer. Mit seinem Schäferkollege Herbert Spiess und einer Herde Schafe und Ziegen macht er sich ein bis zweimal im Jahr auf den Weg von Rauenberg nach Walldorf. Zweieinhalb Stunden zu Fuß ziehen sie mit der Herde, mitten durch eine zersiedelte und von Verkehrswegen zerschnittene Landschaft. Doch der Verkehr ist nicht die einzige Herausforderung. „Der Schäferberuf ist quasi ausgestorben - er wird nur noch durch Subventionen und Vertragsnaturschutz aufrecht erhalten“, bedauert der Hobbyschäfer.
Zugleich werden die vierbeinigen Landschaftspfleger im Naturschutz dringend gebraucht. Auch in der Schwetzinger Hardt, wo es noch heute Reste der einstigen Hutewälder und Sandbiotope gibt. Da sie im Sinne des Artenschutzes als sehr wertvoll gelten, sollen sie bewahrt und nach Möglichkeit ausgeweitet werden. Im Rahmen des NABU-Projekts Lebensader Oberrhein wird intensiv an Beweidungskonzepten gearbeitet.
Text und Fotos: Sabine Hebbelmann
Für das auf sechs Jahre angelegte Naturschutzprojekt „Lebensader Oberrhein – Naturvielfalt von nass bis trocken“ zieht der NABU eine positive Zwischenbilanz. In dem rund 2.200 Hektar großen „Hotspot der biologischen Vielfalt“ zwischen Bingen und Bühl zu dem auch die Schwetzinger Hardt und die Sandhäuser Dünengebiete gehören, sind zur Halbzeit bereits rund 80 Prozent der geplanten Naturschutzvorhaben umgesetzt.
So wurden zum Beispiel zahlreiche Feuchtgebiete wiedervernässt. In insgesamt über 30 Tümpeln für bedrohte Amphibienarten konnten schon Moorfrosch, Knoblauchkröte oder Laubfrosch nachgewiesen werden. Die Naturschutzarbeiten in den „trockenen“ Bereichen verlaufen ebenfalls nach Plan: Sandlebensräume wurden wieder vernetzt oder durch gezielte Baumfällungen aufgewertet. Hier breitet sich etwa die stark gefährdete Graue Skabiose wieder stärker aus, eine von 15 Pflanzenarten, für deren Schutz Deutschland eine besondere Verantwortung hat, weil sie vorwiegend hierzulande vorkommt. Längst verschwunden geglaubte Vogelarten wie die Heidelerche oder stark gefährdete Insekten wie die Grüne Strandschrecke zeigen sich wieder, zum Beispiel auf dem Saupferchbuckel in Walldorf.
„Großen Teilen der Bevölkerung war zum Projektstart 2013 neu, dass sie in einem Hotspot der biologischen Vielfalt zu Hause sind“, sagt Projektleiterin Katrin Fritzsch. „Um das Bewusstsein für die Besonderheiten vor der eigenen Haustür zu stärken und die Menschen für deren Schutz zu begeistern, sind wir auf vielen Ebenen aktiv und gehen dabei auch neue Wege.“ So hat der NABU bereits mehr als 200 Botschafterinnen und Botschafter ausgebildet, die zum Beispiel Führungen anbieten. Online verfügbare Tourentipps laden dazu ein, den Hotspot auf eigene Faust zu erkunden.
In den kommenden drei Projektjahren stehen auch in der Region weitere Naturmanagement-Maßnahmen auf dem Programm. Unter anderem sollen die Konzepte für die Beweidung weiterentwickelt sowie Öffentlichkeitsarbeit und Umweltbildung fortgeführt werden.
Lebensader Oberrhein/heb
Walldorf. (heb) Zwei junge Forstwirte starten die lauten Motorsägen und die Schüler der Technik-Klasse der Waldschule Walldorf schauen fasziniert zu, wie sie fachmännisch eine Buche und eine Kiefer fällen. Ein Mädchen hält das Geschehen mit der Kamera ihres iPads fest. "Kinder, habt ihr gehört, dass die Funksprechgeräte im Helm haben?", ruft Revierleiter Gunter Glasbrenner. Während er verspricht, dass aus dem Holz Tisch, Hocker und eine Stellwand für die Schule gebaut werden sollen, beginnen die Waldarbeiter schon, den Stamm zurechtzuschneiden.
So fällt der Startschuss für die Auslichtung des "Maulbeerbuckels" nahe der Walldorfer Waldschule, eine Aktion im Rahmen des Projekts "Lebensader Oberrhein", das der Naturschutzbund (Nabu) in Zusammenarbeit mit Bundesumweltministerium und Land durchführt. Die Initiative, auch eine Schule am Naturschutzprojekt zu beteiligen, sei von Projektleiterin Katrin Fritzsch vom Nabu ausgegangen, berichtet Bürgermeisterin Christiane Staab beim Startschuss.
Der Nabu will in Zusammenarbeit mit der Stadt Walldorf und dem Forst bekanntlich "Inseln aus Licht" im Waldschutzgebiet "Schwetzinger Hardt" schaffen. Angeboten habe sich der Maulbeerbuckel in unmittelbarer Nachbarschaft der Waldschule als eigenständiges Projekt, das die Schüler von Anfang an begleiten dürfen, so Staab. "Das Thema Wald- und Umweltpädagogik ist ganz wichtig", betont die Bürgermeisterin und begrüßt auch Sozialpädagogin Sabrina Ehnert, die das Projekt mitbetreuen wird. Zum Schutz der am Wegrand noch vereinzelt blühenden Wohlriechenden Skabiose werde der Weg verlagert und wie in den Naturschutzgebieten in Sandhausen ein Handlauf für die Besucherlenkung errichtet, berichtet die Bürgermeisterin und sagt, da die Gegend stark frequentiert sei, könnten die Bürger hier einen unmittelbaren Eindruck von dem Hotspot-Projekt in der Schwetzinger Hardt gewinnen.
Forstbezirksleiter Sebastian Eick erklärt den Kindern anschaulich, dass auf der Düne eine Lichtung geschaffen wird für spezielle Arten, die es warm und hell mögen. Und dass dafür auch Bäume fallen müssen. Für Rektor Lorenz Kachler passt das Projekt perfekt zur Waldschule, nicht nur zum Namen, sondern auch zum Geist der Schule, die das Bewusstsein für die Zusammenhänge der Natur wecken wolle. Und auch vom Zeitpunkt her - die Schule feiert 50-jähriges Jubiläum - kommt ihm das Projekt sehr gelegen. Kachler erzählt, dass die Schüler das Naturschutzprojekt mit iPads der Schule auch selbst dokumentieren.
Stellvertretend für Projektleiterin Katrin Fritzsch freut sich Karin Knitter-Lehmann, dass Walldorf im Nabu-Projekt "Lebensader Oberrhein" so gut vertreten ist. Die Vorsitzende des Nabu-Ortsverbands Walldorf-Sandhausen dankt Bürgermeisterin Staab, Forstbezirksleiter Eick, Schulleiter Kachler und Revierförster Glasbrenner für die gute Zusammenarbeit und sagt mit Blick auf den neu entstehenden Lebensraum: "Vielleicht lässt sich ja auch der Ziegenmelker bald wieder hier hören."
Dass die „Impfversuche“ auf dem Saupfergbuckel in Walldorf erfolgreich waren, davon konnten sich beim Waldtag Schwetzinger Hardt Teilnehmer einer Exkursion überzeugen. Katrin Fritzsch, die das NABU-Projekt Lebensader Oberrhein leitet, zeigte typische Sandrasenbewohner wie das gelb blühende Dünen-Steinkraut, duftenden Sand-Thymian, Büschel von Silbergras und Blauschillergras und Polster von grauen Rentierflechten. Sogar eine Rosette der extrem seltenen Sand-Silberscharte findet sich.
Um der Entwicklung der mitten im Wald liegenden Fläche auf die Sprünge zu helfen haben die Naturschützer ausnahmsweise nachgeholfen. Im Herbst vergangenen Jahres hatte der NABU in Abstimmung mit dem Regierungspräsidium Karlsruhe etwas Mäh- und Rechgut mit den darin enthaltenen Samen vom eingezäunten Teil der Pferdstriebdüne Sandhausen auf die neu geschaffene Dünenkuppe ausgebracht. Die entsprechenden Impfflächen waren mit Pflöcken markiert worden.
Auf der „Rechgutfläche“ hat eine Flechtenexpertin der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) gleich drei verschiedene Rentierflechtenart, darunter eine sehr seltene, gefunden.
Vor zwei Jahren wurde die Dünenkuppe gerodet, die dünne Schicht Humus abgetragen. Vor Beginn der Maßnahmen waren Bodenproben gezogen worden. „Wir wollten auf den kalkhaltigen Sand“, betont Fritzsch. Tatsächlich kam unter dem Humus kalkhaltiger Sand zum Vorschein – wie er als Besonderheit auch auf der bekannten Pferdstriebdüne Sandhausen vorkommt.
Anders auf der kleineren Dünenkuppe nebenan. Diese zweite Fläche gilt als eher kalkarm, daher hat man hier Mähgut von Heideflächen des Schwetzinger Hirschackers verwendet. Doch das Heidekraut hat sich bisher nicht entwickelt. Dafür hüpft hier die Grüne Strandschrecke, die als vom Aussterben bedroht gilt, gleich scharenweise im offenen Sand umher.
Um in Zusammenarbeit mit Forst BW Erfahrungswerte für die weitere Auflichtung der Schwetzinger Hardt zu sammeln werden die Entwicklung der Flächen wie auch Pflegemaßnahmen, die jetzt noch notwendig sind, um unerwünschte Pflanzen zurückzudrängen, genau dokumentiert.
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Ein Augenmerk liegt auf der Entwicklung von „nassen“ Lebensräumen mit ihren für den Oberrhein typischen Arten. Dafür werden beispielsweise Grünlandflächen in der Kinzig-Murg-Rinne vernässt und Laichgewässer zur Vernetzung von Amphibienpopulationen angelegt. Gräben werden als Lebensraum für den Schlammpeitzger, eine in Baden-Württemberg sehr seltene und bundesweit nach der Roten Liste stark gefährdete Fischart, verbessert.
Ein weiterer Schwerpunkt des Projektes ist die Aufwertung von „trockenen“ Landschaften: den Flugsandgebieten und Binnendünen auf den Hardtplatten. Hier sollen durch Waldauflichtungen unterschiedlicher Größe Flächen für Sandrasen mit ihren spezifischen Tieren und Pflanzen geschaffen werden.
Gerade in einem Ballungsraum wie am Oberrhein ist es wichtig, die Bevölkerung frühzeitig in Naturschutzprojekte einzubeziehen. Wir machen durch zahlreiche Aktionen auf die Einzigartigkeit der Naturräume aufmerksam wollen für den Schutz der biologischen Vielfalt begeistern.
„Regionale Partnerschaften“ mit Städten und Gemeinden, Naturschutzakteuren sowie Wirtschafts- und Sozialpartnern sollen eine langfristige Sicherung des Hotspots gewährleisten. Ganz nach dem NABU-Motto „für Mensch und Natur“ wollen wir den Naturschutz im Einklang mit den Menschen vor Ort vorantreiben.
Naturschutzthemen machen nicht an Ländergrenzen halt. So gibt es etwa gemeinsamen Handlungsbedarf bei Deichpflege, Erhalt und Förderung von Sandrasen oder auch bei der Umsetzung von Amphibienschutzmaßnahmen.
Spannend ist, wie die Beteiligten in den drei Bundesländern Rheinland-Pfalz, Hessen und Baden-Württemberg die Themen angehen. Mit begleitenden Arbeitskreisen wollen wir den länderübergreifenden Austausch ermöglichen und fördern. Auch bei der Öffentlichkeitsarbeit sind wir zusammen aktiv.
Text: NABU Baden-Württemberg
www.lebensader-oberrhein.de
link zum RNZ-Artikel
Auf dem sogenannten "Maulbeerbuckel" im Stadtwald bei der Waldschule in Walldorf will der NABU im Rahmen des Projekts Lebensader Oberrhein neue halboffene Wälder und Sandrasen schaffen. Im Gemeinderat Walldorf gab es am 26. Januar uneingeschränkte Zustimmung für dieses Vorhaben.
Forstbezirksleiter Sebastian Eick und Revierförster Gunter Glasbrenner gehen auf die Bewirtschaftungs- und Betriebsplanung für das Forstwirtschaftsjahr 2016
und die geplante Auflichtung des Maulbeerbuckels ein.
Der Hitzesommer 2015 habe den Kiefern im Walldorfer Stadtwald stark zugesetzt, ihr Gesundheitszustand sei sehr schlecht, betont Eick. Besonders betroffen sei das Reilinger Eck. Nur abgestorbene Kiefern sollen geschlagen werden, insgesamt 700 Festmeter. Er rechnet damit, dass die Kiefer auch in Zukunft auf den trockenen Dünenstandorten Probleme haben werde und spricht sich für eine Rückführung zu laubholzreichen Beständen aus.
Wie Eick berichtet, erstellt die Forstliche Versuchsanstalt Freiburg mit dem Fachbereich Klimawandel bis 2018 ein Waldkonzept und hat eigens eine Mitarbeiterin für diese Aufgabe eingestellt. Dieses soll mit der Naturschutzverwaltung und dem Beirat für das Waldschutzgebiet abgestimmt werden und rechtzeitig vor der Forsterneuerung 2019 fertig werden. 0,5 Hektar Offenfläche sollen auf dem Maulbeerbuckel entstehen, berichtet Eick, lobt das Institut für Landschaftsökologie und Naturschutz (ILN) des NABU und möchte die intensive und einvernehmliche Zusammenarbeit weiterführen. Auflichtung finde nur da statt, wo die Kiefer wächst, wertvolle Laubgehölze wie die Eiche sollen geschont werden. Mit dem Klimawandel finde eine Veränderung des Waldes statt. "Uns ist es sehr wichtig, dass die Erfahrungen des NABU-Instituts einfließen", sagt Eick.
In die Pflegemaßnahmen am Maulbeerbuckel soll die benachbarte Waldschule, eine Grund- und Werkrealschule, im Rahmen der Umweltbildung eingebunden werden, ähnlich wie in Sandhausen, wo die Schüler des Gymnasiums seit Jahrzehnten in die Pflege der Pferdstriebdüne eingebunden sind.
Revierförster Gunter Glasbrenner schildert die Herausforderungen im Kampf gegen die Amerikanische Kermesbeere und stellt die Situation als dramatisch dar. Eine Pflanze bringe pro Jahr im Schnitt 40 000 Samen hervor und es gebe bereits hunderttausende Pflanzen. Die Wurzeln, die bis zu 2,6 Kilo schwer und 1 Meter tief seien und überdies bis zu 1,7 Meter lange Seitenwurzeln hätten, müssten vollständig ausgegraben werden - eine schwere Arbeit für die arbeitslosen Jugendlichen aus Katalonien, die im Rahmen des Projekts Social Forest im Walldorfer Stadtwald schuften. "Es ist beämgstigend, was diese Pflanzen unternehmen, um hier heimisch zu werden - sobald Licht da ist verbreiten sie sich", stellt der Förster fest. Auf 25 Hektar finde ein ständiges Kermesbeere-Monitoring statt, das nun auch auf Reilingen ausgedehnt werden soll.
Doch Glasbrenner hat auch gute Neuigkeiten:Sozialpädagogin Sabrina Ehnert, die auch die NABU-Kindergruppe mit betreut, soll
die Waldpädagogik auf 450 Euro Basis wieder voran bringen. Geplant sind Projekte mit der Waldschule und Waldpädagogik für behinderte Kinder.
Stimmen aus dem Gemeinderat
Gerhard Baldes (CDU)
Wir suchen Antworten auf die zukünftige Waldentwicklung. Der Maulbeerbuckel ist ein Geschenk - wir bedanken uns, dass wir ausgesucht wurden. Die Flächen sind mit Bedacht gewählt.
Andrea Schröder-Ritzrau (SPD)
Ökologische Frühbildung ist Daseinsvorsorge. Mit der Waldschule sollten langfristige Projekte angestoßen werden, wie es sie in Sandhausen gibt.
Hans Wölz (Grüne)
Das Projekt Lebensader Oberrhein wird im Wesentlichen vom NABU getragen, Kosten für die Stadt Walldorf entstehen nicht. Es ist wichtig, die biologische Vielfalt zu fördern. Könnten Flüchtlinge über Ein-Euro-Jobs für die Bekämpfung der Kermesbeere eingesetzt werden?
Günter Lukey (FDP)
Das katalanische Social Forest Programm ist ausgelaufen. Ich hoffe, dass es bei Bedarf fortgeführt wird. Der Wald braucht dringend Unterstützung.
Hirschackerwald in Schwetzingen gehört zum Nationalen Naturerbe in Deutschland
Stuttgart/Schwetzingen – Beim NABU ist die Freude groß darüber, dass mit dem Hirschackerwald in Schwetzingen ein naturschutzfachlich besonders wertvolles Gebiet an die NABU-Stiftung Nationales Naturerbe übertragen worden ist. „Hier zeigt sich, wie ökologische Konversion funktionieren kann: Rund 96 Hektar, die früher militärisch genutzt worden sind, werden jetzt ganz im Sinne des Naturschutzes entwickelt. Das ist eine großartige Chance für Natur und Nachhaltigkeit“, betont der NABU-Landesvorsitzende Andre Baumann. „Wir übernehmen hier zusammen mit dem NABU-Landesverband und den Gruppen vor Ort Verantwortung und setzen uns dafür ein, dass sich die Naturerbefläche in Schwetzingen vorbildlich entwickelt“, sagt Christian Unselt, Vorsitzender der NABU-Stiftung Nationales Naturerbe. Seit über zwanzig Jahren hat der NABU den ehemaligen Schwetzinger „Panzerwald“ in enger Zusammenarbeit mit der Staatlichen Naturschutzverwaltung, der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) und früher auch der US-Army gepflegt.
Der Hirschacker ist ein kombiniertes Natur- und Landschaftsschutzgebiet, als Fauna-Flora-Habitat-Gebiet ausgewiesenen und Teil eines von bundesweit 30 „Hotspots“ der biologischen Vielfalt mit einer besonders hohen Dichte und Vielfalt an Arten und Lebensräumen. Der NABU setzt sich hier für die außergewöhnlichen Sandlebensräume ein, seit 2014 auch im Rahmen des von Bund und Ländern geförderten Hotspot-Projekts „Lebensader Oberrhein“. Die Landschaft ist geprägt durch lichte Hutewälder, Heideflächen und Sandmagerrasen. Heidelerche und Harlekinspinne, Sandstrohblume und Steppenbienchen sowie viele andere sandliebende Tier- und Pflanzenarten finden hier einen ihrer wichtigsten Lebensräume im Land. „Dass der Hirschackerwald ins Eigentum des NABU übergeht und wir nun großflächig Naturschutzmaßnahmen durchführen können, ist für mich persönlich sehr bewegend. Da merke ich einfach, dass ich Schwetzinger bin, die Sandstrohblumenpopulation des Hirschackerwalds in meiner Diplomarbeit untersucht habe und dieses sandige Stück Heimat mir ans Herz gewachsen ist“, sagt der NABU-Landesvorsitzende Andre Baumann. Es sei eine große Aufgabe, Baden-Württembergs größtes Sandheidegebiet für die Menschen zu öffnen und zugleich sensible Naturbereiche vor Störungen zu bewahren.
Über die Historie des Hirschackerwalds:
Der Hirschackerwald war der frühere Schwetzinger Stadtwald, den die Stadt Schwetzingen 1938 an die Wehrmacht verkaufte. Rund ein Jahr lang war in den heutigen Tompkins Barracks ein Panzerregiment stationiert, das in den wüstenartigen Sanddünen des Hirschackerwalds und des angrenzenden Mannheimer Dossenwalds für den so genannten Wüstenfeldzug übte. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Hirschackerwald als Standortübungsplatz für die in Heidelberg und Schwetzingen stationierten US-Truppen genutzt. Nach Abzug der US-Army von den Standorten in Heidelberg und Schwetzingen wurde der Hirschackerwald als militärische Übungsfläche aufgegeben und aufgrund seines Naturschutzwerts in das Nationale Naturerbe übertragen. „Der NABU wird neuer Eigentümer des früheren Panzerwalds. Wir möchten dieses wertvolle Schutzgebiet für Mensch und Natur schützen und fördern“, sagt Christian Unselt von der NABU-Stiftung.
Über die NABU-Stiftung Nationales Naturerbe und das Nationale Naturerbe:
Bereits 1911 kaufte der NABU die ersten naturschutzfachlich wertvollen Flächen, um ihren Erhalt für die Nachwelt zu sichern. „Als Eigentümer können wir die Perlen der Natur für diese und kommende Generationen am besten erhalten“, sagt Christian Unselt, Vorsitzender der NABU-Stiftung. Heute schafft und erhält die NABU-Stiftung Nationales Naturerbe durch Kauf und Unterhalt solcher Flächen einzigartige Naturparadiese in Deutschland. Mit der Wiedervereinigung setzte die größte Privatisierungswelle des Bundes aus dem zuvor volkseigenen Vermögen der DDR sowie ehemaligen Militärflächen ein. Im Nationalen Naturerbe werden solche Naturoasen an Naturschutzstiftungen oder die Bundesländer übertragen und geschützt. Der NABU besitzt aktuell in 265 Gebieten insgesamt 16.800 Hektar. www.Naturerbe.de
Text: NABU Baden-Württemberg
Walldorf – Für den baden-württembergischen Teil des NABU-Naturschutzprojektes „Lebensader Oberrhein – Naturvielfalt von nass bis trocken“ ist am 23.4.2014 im Rathaus Walldorf der offizielle Startschuss gefallen. Bei einem Treffen aller Projektaktiven hat der NABU gemeinsam mit Naturschutzminister Alexander Bonde sowie Thomas Graner, Zentral- und Fachbereichsleiter des Bundesamtes für Naturschutz, das Vorhaben vorgestellt. „In den nächsten sechs Jahren werden wir die einzigartigen Lebensräume zwischen Iffezheim und Mannheim fördern und so bedrohten Arten wie Ziegenmelker, Schlammpeitzger und Sand-Silberscharte eine Zukunft geben. Dieses Projekt ist ein Glücksfall für die Natur am Oberrhein“, sagte der Vorsitzende des NABU Baden-Württemberg Andre Baumann vor den rund 90 geladenen Gästen.
Das Projektgebiet umfasst insgesamt den kompletten „Biodiversitäts-Hotspot Oberrhein“. Da mit Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Hessen drei Bundesländer Anteil am Projektgebiet haben, haben sich die drei zuständigen NABU-Landesverbände zusammengeschlossen. Das Projektvolumen beträgt insgesamt rund fünf Millionen Euro. Die Kosten werden zu 75 Prozent vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit über das „Bundesprogramm Biologische Vielfalt“ und zu 15 Prozent vom Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg und den Umweltministerien in Rheinland-Pfalz und Hessen getragen. Zehn Prozent der Kosten übernimmt der NABU selbst. Das vom Bundesamt für Naturschutz fachlich begleitete Gesamtprojekt war bereits Ende 2013 offiziell gestartet.
„Der Erhalt der biologischen Vielfalt ist eines der großen Überlebensthemen der Menschheit. Die grün-rote Landesregierung hat beispielsweise mit der Errichtung des Nationalparks Schwarzwald bereits vieles erfolgreich in Angriff genommen. Der staatliche Naturschutz allein reicht aber nicht aus. Der Beitrag von ehrenamtlich Engagierten, von Landwirten, Waldbesitzern und Grundeigentümern ist für den Erhalt der Biologischen Vielfalt unersetzlich. Umso mehr freue ich mich, dass sich der NABU um die biologische Vielfalt am Oberrhein kümmert. Eine besondere Herausforderung beim Erhalt dieser besonderen Landschaft am Oberrhein und ihrer Artenvielfalt ist die Lage in einem dicht besiedelten Raum mit vielfältigen Nutzungsinteressen. Deshalb ist es hier besonders wichtig, die verschiedenen Akteure einzubinden und die Bevölkerung für die Besonderheiten dieser Landschaft zu sensibilisieren und zu begeistern“, sagte Baden-Württembergs Naturschutzminister Alexander Bonde in Walldorf.
„Ich begrüße die engagierte bundeslandübergreifende Zusammenarbeit von ehrenamtlichem und amtlichem Naturschutz im Projekt unter Einbindung weiterer wichtiger Gruppen wie der Wasserwirtschaft. Es ist ein zentrales Ziel der Bundesförderung, die Identifikation der Menschen mit ihrer Hotspotregion zu stärken und damit eine langfristige Übernahme der Verantwortung für Schutz und Erhalt der Biologischen Vielfalt zu erreichen. Ich bin optimistisch, dass diese regionale Partnerschaft über die Projektlaufzeit hinaus Bestand haben wird“, so Thomas Graner vom Bundesamt für Naturschutz.
Trockene Lebensräume
Der NABU Baden-Württemberg wird seine Arbeit auf EU-geschützte Binnendünen und Sandrasen konzentrieren, die in Baden-Württemberg nur im Hotspot-Gebiet vorkommen. „Sandrasen sind einzigartige Lebensräume für viele spezialisierte Tier- und Pflanzenarten. Um diese offenen und sonnigen Flächen zu erhalten und miteinander zu vernetzen, müssen wir Kiefernbestände auflichten“, erklärt Projektleiterin Katrin Fritzsch vom NABU Baden-Württemberg. Dass heute nur noch fünf Prozent der Sandrasen von vor 100 Jahren übrig seien, mache klar, wie dringend diese Arbeiten sind. Der Wegfall der Sandrasen spiegle sich direkt in den Beständen bedrohter Tierarten wider: „Noch vor wenigen Jahren haben bei Schwetzingen Heidelerchen gebrütet. Jetzt nicht mehr. Unser Ziel ist es, das wieder zu ändern“, erklärt Fritzsch.
Nasse Lebensräume
Neben diesen trockenen Standorten wird der NABU Baden-Württemberg auch die „nassen“ Lebensräume bearbeiten, etwa in der Saalbachniederung bei Bruchsal, wo der NABU schon lange aktiv ist. „Die Landwirtschaft hat über Jahrzehnte nasse Wiesen drainiert und trocken gelegt, um sie als Äcker bewirtschaften zu können“, erklärt Fritzsch. Mit dem Wasser seien jedoch auch viele Tier- und Pflanzenarten verschwunden: „Kiebitze, Weißstörche und Sumpfdotterblumen brauchen feuchte Wiesen zum Überleben. Wir wollen sie ihnen mit unserem Projekt wieder zurückgeben.“ Mit neuen Tümpeln und aufgewerteten Gräben wird der NABU zudem Kröten, Fröschen und Molchen sowie dem stark gefährdeten Schlammpeitzger Lebensraum schenken. „Diese Fischart ist in Baden-Württemberg sehr selten geworden, da sein ursprünglicher Lebensraum fast verschwunden ist“, sagt Projektleiterin Fritzsch.
Menschen einbeziehen und begeistern
Besonderen Wert legt der NABU darauf, die Menschen im Hotspot-Gebiet einzubeziehen, ihnen die einzigartigen Naturräume nahe zu bringen und sie für den Schutz der biologischen Vielfalt vor der eigenen Haustür zu begeistern. Durch Partnerschaften mit Städten und Gemeinden sowie Kooperationen mit der Wirtschaft und sozialen Einrichtungen möchte der NABU dauerhaft etwas für die Natur bewegen. „Wir haben uns ehrgeizige Ziele gesetzt, die wir nur mit der Unterstützung unserer vielen Mitglieder und den zahlreichen engagierten Kooperationspartnern umsetzen können“, sagt NABU-Landeschef Andre Baumann.
(Fotos: H. Pfeifer, NABU-Landesverband BW)
Minister Bonde und NABU-Chef Baumann besuchen Waldschutzgebiet Schwetzinger Hardtwald / Gemeinsamer Einsatz für Ziegenmelker, Sandstrohblume und Co.
Hockenheim – „Im heutigen Waldschutzgebiet Schwetzinger Hardt haben einst die Kurfürsten der Kurpfalz gejagt. Unser Ziel ist es, dass es hier in Teilen bald wieder so aussieht wie damals – wenn auch ohne prunkvolle Jagdgesellschaft“, sagte der Vorsitzende des NABU Baden-Württemberg Andre Baumann bei einem Vorort-Termin mit Naturschutz- und Forstminister Alexander Bonde am Samstag (13.9.). Weil die Bauern über Jahrhunderte Holz und Streu aus dem Hardtwald geholt hatten und ihr Vieh dort weiden ließen, war eine nur locker mit Bäumen bestandene, parkähnliche Landschaft entstanden. Diese ist jedoch in den vergangenen 200 Jahren größtenteils wieder zugewachsen und wurde aufgeforstet. „Gemeinsam mit ForstBW verfolgen wir das Ziel, auf manchen Dünenzügen lichte Wälder wiederherzustellen, um bedrohten Arten wie Heidelerche, Sandstrohblume und Ziegenmelker ihren Lebensraum zurückzugeben“, sagt der NABU-Landeschef. Es werde auf einer vergleichsweise kleinen Fläche des Hardtwaldes ein lebendiges Heimatmuseum entstehen mit Wäldern, wie es sie über Jahrhunderte und Jahrtausende in der Schwetzinger Hardt gab. Baumann lobte die Einrichtung eines Schutzgebietsbeirats durch ForstBW, in dem auch Vertreterinnen und Vertreter der Bürgerschaft und der Verbände über die Umsetzung des Waldschutzgebiets mitbestimmen werden.
Der NABU begrüßt, dass das Land Baden-Württemberg und die Hardtwald-Gemeinden das Regionale Waldschutzgebiet „Schwetzinger Hardt“ auf den Weg gebracht haben. Im Oktober 2013 ist es offiziell eingerichtet worden. Ziel des nach dem Nationalpark Schwarzwald größten Naturschutzprojekts im baden-württembergischen Staatswald in dieser Legislaturperiode ist es vor allem, die parkartigen Wälder im größten Binnendünengebiet Süddeutschlands zu fördern und zu erhalten. Aus Sicht des NABU ist es der Forstverwaltung gelungen, die verschiedenen Nutzungsansprüche an den Schwetzinger Hardtwald im Waldschutzgebiet gut auszutarieren. Neben der Holzproduktion spiele auch die Funktion des Waldes als eines der wichtigsten Naherholungsgebiete im Ballungsraum Rhein-Neckar eine wichtige Rolle. „Das Waldschutzgebiet mit seinem parkartigen Wald und seiner intakten Natur ist für Besucherinnen und Besucher besonders attraktiv“, meint der in Schwetzingen lebende NABU-Chef. „Wir Kurpälzer können zurecht stolz auf unseren Hardtwald sein: Unsere Schwetzinger Hardt spielt in derselben Liga wie die Lüneburger Heide, der Bodensee oder die Mecklenburgische Seenplatte. Wir haben eine nationale Verantwortung für Ziegenmelker, Heidelerche und Co.“ Der nördliche Oberrheingraben gehört auch wegen der trockenen Binnendünen zu den dreißig Hotspots der biologischen Vielfalt in Deutschland.
Der NABU-Landechef lobte am Wochenende die sehr gute Zusammenarbeit mit ForstBW und dem Kreisforstamt Rhein-Neckar. „In den kommenden Jahren werden ForstBW und NABU Hand in Hand zwei Dünenkuppen auflichten, damit Ziegenmelker und Co. wieder eine Heimat finden.“ Im Rahmen des vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) geförderten NABU-Naturschutzprojekts „Lebensader Oberrhein – Naturvielfalt von nass bis trocken“ setzen das Kreisforstamt und der NABU gemeinsam Naturschutzmaßnahmen im Waldschutzgebiet „Schwetzinger Hardt“ um.
Text: NABU Landesverband Baden-Württemberg
Neue Heimat für Grasfrosch, Wechselkröte & Co.
NABU baggert Tümpel beim Baden-Badener Stadtteil Haueneberstein
Stuttgart/BAD-Haueneberstein – Im Rahmen des großen Naturschutzprojekts „Lebensader Oberrhein – Naturvielfalt von nass bis trocken“ entstehen neue Laichgewässer für Amphibien. Deshalb ist nördlich und westlich von Haueneberstein ein Bagger im Einsatz und hebt zwei Tümpel aus, mit insgesamt rund 600 Quadratmetern Fläche und je etwa einen Meter tief. Die Kosten für diese Schutzmaßnahmen belaufen sich auf rund 20.000 Euro.
„Die Arbeiten finden mit deutlichem Zeitabstand zur Amphibienwanderung statt. So stören wir die Tiere nicht und es ist ausreichend Zeit, dass sich die Kleingewässer von alleine durch nach oben drückendes Grundwasser und Niederschläge füllen“, erläutert Michael Hug vom Institut für Landschaftsökologie und Naturschutz (ILN), der die Arbeiten plant und begleitet. Neben den Amphibien werden auch andere Tier- und Pflanzenarten von den geplanten Tümpeln profitieren. So liegt etwa einer der beiden in einem Gebiet, in dem Fledermäuse zu Hause sind. Durch das neue Gewässer werden diese seltenen Tiere nicht beeinträchtig, vielmehr nimmt mittelfristig ihr Nahrungsangebot zu.
Haueneberstein liegt am Rand der Kinzig-Murg-Rinne. Gerade in dieser tief gelegenen, feuchten Niederungslandschaft gibt es Bereiche, die sich eignen, um dort neue Laichgewässer anzulegen. Das zeigt eine aktuelle Zusammenfassung der Daten zu Amphibienvorkommen im baden-württembergischen Teil des Biodiversitäts-Hotspots am Oberrhein. „Dabei wurden Daten aus unterschiedlichen Quellen, etwa von Behörden oder Vereinen, zusammengetragen. So konnten wir einen guten Überblick gewinnen über den Stand der Dinge. Zudem wurde deutlich, wo etwas getan werden muss, um Amphibienvorkommen zu fördern und zu vernetzen“, berichtet Hug.
Kleingewässer wie Tümpel, Teiche und Altwasser waren in der Aue des Rheins und in den Randgebieten häufig. In den letzten Jahrzehnten haben Flurbereinigung, Siedlungsbau und Intensivierung der landwirtschaftlichen Nutzung jedoch die meisten Kleingewässer verschwinden lassen. Dabei sind sie besonders wichtig für Wechselkröte, Grasfrosch, Bergmolch & Co., die dort ihre Eier ablegen. „Amphibien sind weltweit Verlierer aufgrund von Trockenlegung, Urbarmachung von Gelände oder Entwässerung von Feuchtgebieten“, erläutert Katrin Fritzsch, „Lebensader Oberrhein“-Projektleiterin beim NABU Baden-Württemberg. Viele Amphibienarten sind hierzulande bedroht und stehen auf der Roten Liste.
Hintergrund: Projektstruktur „Lebensader Oberrhein – von nass bis trocken“
Drei Bundesländer (Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Hessen) haben Anteil am Projektgebiet. Zur Umsetzung der Maßnahmen haben sich die NABU-Landesverbände Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg zusammengeschlossen. Das Projektvolumen beträgt insgesamt rund fünf Millionen Euro. Die Kosten werden zu 75 Prozent vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit über das „Bundesprogramm Biologische Vielfalt“ und zu 15 Prozent vom Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg sowie den Umweltministerien in Rheinland-Pfalz und Hessen getragen. Zehn Prozent der Kosten übernimmt der NABU selbst. Weitere Informationen: www.lebensader-oberrhein.de
Text: NABU Landesverband
Der Oberrhein zwischen Bingen und Iffezheim ist nach einer intensiven Auswertung von Daten zu Lebensraumtypen und Vorkommen verschiedener Artengruppen vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) als ein „Hotspot der biologischen Vielfalt“ im Bundesprogramm Biologische Vielfalt identifiziert worden. Dies erfolgte in enger Abstimmung mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) und den Bundesländern. Neben 29 anderen Regionen in Deutschland weist der Hotspot 10 „Nördliche Oberrheinebene mit Hardtplatten“ einen besonderen Reichtum an Landschaftsräumen mit charakteristischen Tier- und Pflanzenarten auf.